Der geheimnisvolle Odem der Zukunft

 

Mehrere Gabelweihen drehen ihre Runden über dem Tal und der Lichtung, die sich vor mir öffnet.

Ihre Flugkünste erstaunen immer wieder aufs Neue. Die große Zahl in der sie hier zu sehen sind lässt darauf schließen, dass sie hier reichlich Nahrung und gute Flugbe-dingungen (Aufwinde) finden. Ihre Horste lassen sich in der Nähe vermuten.

 

Von Osten kommend trete ich aus dem herrlichen Buchenwald in den wärmenden Sonnenschein hinaus. Es ist nicht bloß eine Lichtung die sich hier nach Westen hin erstreckt, nein auch eine große Grube erscheint, tief und schroff, eine zuerst unwirtlich erscheinende Landschaft, ein alter Kalk-Steinbruch. Vor langer Zeit als dieser Kalkstein noch ein Korallenriff nahe des Äquators darstellte gab es hier eine herrliche Unterwasserlandschaft, eine besondere Artenvielfalt mit den verschieden-sten Lebensgemeinschaften aquatischer Natur. Auch heute finden sich hier wieder ganz besondere Gemeinschaften, solche, die z.B., besonders auf den noch freiliegenden Kalkfelsen eine optimales Habitat finden.

 

Was für eine zauberhafte Welt, denke ich, die hier im sonntäglichen Sonneschein in sich ruht. Auf den freigelegten Kalkfelsen haben sich schon seit längerem neue, andersartige Lebensgemeinschaft-en zusammengefunden. Den Tag über streicht die Sonne, während ihres Laufs, darüber und wärmt nicht nur den Stein, sondern auch die Eidechsen, welche sich hier angesiedelt haben. Es finden sich zudem Nistplätze für die unterschiedlichsten Vogelarten sowie ganz neue Kalk liebende Pflanzen-welten, ein vollständig neuer Mikrokosmos ist im Lauf der Zeit hier entstanden, einzigartig in der Region.

 

Seit dem Stilllegen des Steinbruches, vor drei–vier Jahren, hört man vom Dorf her jedes Frühjahr besonders den „gu-kuh – gu kuh“ Ruf mehrerer Kuckucksmännchen die sich um Weibchen bemühen. Diese antworten mit einem laut trällernden Kichern. Wenn die Herren die Weibchen verfolgen, lassen diese dabei oft ein heiseres „hach hachhach“ hören. Wem werden diese Kuckukspaare wohl ihre Eier ins Nest legen, …. überlege ich, ganz in Gedanken versunken?

 

Das Gewölle eines Uhus, des Jägers der Nacht, zeigt, dass seine nächtliche Jagd erfolgreich war.

Schon wenige Meter weiter, nach Verlassen des Waldes, führt der Pfad steil bergab. Nur so kommt man zur tiefsten Sohle dieses Steinbruchs auf 140 m ü.NN. Dieser Punkt liegt etwa 100 Meter tiefer als die leichte Anhöhe, welche sich mitten im Buchenwald fand, aus dem ich kam. Da wo Kalkstein die Oberfläche durchbricht und wo sich schon seit Jahrzehnten dieser herrliche große Fuchsbau befindet, wo jedes Jahr regelmäßig die Maiglöckchen blühen.

 

Innerhalb nur weniger Jahrzehnte hat man im Steinbruch das über tausende Jahre gewachsene alte Korallenriff nahezu vollständig abgebaut. Nicht alleine für die Menschen in den umliegenden Dörfern, als Baumaterial verwendet, nein, zum Bau der Hochhäuser in der südlich gelegenen Metropole sowie von Straßen und Brücken wurde das alte Riff zügellos ausgebeutet.

 

Diese Raubökonomie hat den gesamten Charakter des früheren Landschaftsbildes, im Dienste von Geldgewinn (auch als „Mammon“ bekannt), verändert. Gleichwohl hat diese wirtschaftliche Entwicklung auch den Charakter und die Mentalität vieler Menschen im Ort verändert. Ja, die Worte Entwicklung und Fortschritt sind ganz und gar nicht nur positiv belegt.

 

 

Hundert Meter Höhenunterschied zwischen der alten Landschaft und der neuen Steinbruchsohle sind nicht zu verachten. Hier gibt es immer Sommer oft gute Aufwinde, welche, neben den Milanen, auch schon Gleitschirmflieger angezogen haben. Dann fällt mir plötzlich auf, dass auf der Sohle des Steinbruches ein kleines Haus steht, ein Pumpenhaus, wie ich herausfinde. Anscheinend muss hier recht viel Grundwasser gepumpt werden, sodass sich kein See bildet, der den Abbau von Kalkstein verhindern würde. Nur wenige Meter vom nahen Bach entfernt, an den ich mich plötzlich erinnere, der die Aue prägt, beginne ich zu begreifen, dass ich mich weit unter dessen Wasserspiegel befinde, nahezu 60 Meter tiefer, und doch bin ich nur hundert Meter von ihm entfernt. Schon seit Tausenden Jahren mäandriert dieser kleine Bach durch die liebliche Aue, streicht dabei, teilweise unmittelbar, am Kalkstein entlang. In dem eher schmalen Wiesengrund findet sich seit Beginn unserer Zeit die herrlichste, feuchte liebende, Flora und Fauna.

 

Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich. Was wird bloß wenn sich plötzlich -z.B. nach einer Sprengung Klüfte öffnen, wenn nach tagelangem Dauerregen Wasser aus dem Bach sich eine Bahn freispült durch den verkarsteten Kalkstein, den Weg in die Abbaugrube findet. Dann entsteht in dieser Grube ein See aus Bachwasser der mit der Zeit den leer gepumpten Grundwasserleiter auffüllt. Was ist dann mit dem Grundwasser? Der Bach allerdings ist dann für längere Zeit, auf mehreren Kilo-metern Länge, trockengelegt.Wenn der Auenlehm sich zudem noch massiv setzt und etliche Häuser/Gehöfte des nahen Dorfes erhebliche Bauschäden erleiden, abbruchreif sind, dann ja dann, was dann?

 

Doch was ist das? Mitten im alten Steinbruch, in einer Art Winkel, hat man begonnen Material einzufüllen. Diese, Erde ähnelnder, Substanz wird dem Anschein nach von einem gelben Catarpillar immer weiter in Richtung der tiefsten Stelle geschoben. Doch vorerst hat sich hier in der Ecke eine Art Plateau gebildet. Geruch den der Wind mir von diesem Plateau vor die Nase weht, hat merkwürdigerweise so gar keinen vertrauten Geruch von Erde, oder Ackerboden, ähnlich wie er mir aus meinen vielen Jahren als Landwirt vertraut ist. Es mischen sich hier Gerüche, wie sie mir aus der Zeit bekannt sind, als ich für wenige Wochen Industriemüll in einen Steinbruch der weiteren Region zu fahren hatte, der damit verfüllt wurde. So ist es nahezu alle alten Abbaugruben und Steinbrüchen der Region über die Jahre ergangen, was unsere Respektlosigkeit gegenüber der Natur unterstreicht.

 

Das kollektive Bewusstsein der nahen Dorfbewohner hat bislang von den herrlichen Lebenswelten nur wenig Notiz genommen von den so sehr diversen Flora und Fauna Lebensgemeinschaften, welchen die Natur hier ein Habitat gibt. Außerordentliche, seltene Lebenswelten, die es zu schützen gilt. So zu schützen wie das Grundwasser welches die Klüfte und Karsthöhlen des Kalkgebirges, wie ein ver-borgener, kühler, Schatz füllt.

 

Abrupt werde ich aus meinen Tagträumen gerissen, was ist das, die Ränder, die den Steinbruch umschließen zeigen hier direkt neben dem Natura 2000 Gebiet, dass hier Trockenheitsprobleme schon länger existent sind. Ob diese dem erheblichen Regendefizit der letzten Dekade von ~ 24% jährlich (180 mm/p.a.) zuschulden sind, oder dem ständigen Abpumpen großer Mengen Grundwassers ist vorerst ungeklärt. Seit Jahren übersteigt die im Mittel genehmigte, abzupumende GW- Menge, die jährliche GW-Nachbildung auf dem betroffenen Kalksteinvorkommen, um bis zum 3,7 fachen. Das ist beachtlich und erheblich.

 

Wieder aus den Tiefen der Abbausohle emporgestiegen gelange ich in die Talaue. Ich gehe erst einmal auf dem, nahe am Bach, teilweise gut durchwurzelten Wiesenweg, der sich durch die Aue zieht, ein Stück weit bachabwärts, solange bis die Felder und Wiesen beginnen. Mein Weg wird unterbrochen von etlichen Kanaldeckeln. Ach ja, bestimmt verläuft hier der Abwassersammler des kleinen Tales, so vermute ich.

Doch was ist das, schon wieder ein eher untypischer Geruch? Jauchig, fäkal, einige 10 Meter weit entfernt eines dieser Deckel. Als Landwirt kann ich hier weder ein Ausbringen von Jauche , Gülle oder Stallmist erkennen.

Auch vom Bachwasser, welches hier etwas trübe ist, kommt der Geruch nicht. Als ich mich bücke bemerke ich, dass es der Erdboden zu sein scheint, der Auenboden, der hier so riecht.

 

Sollte der Abwassersammler etwa größere Schäden und Undichtigkeiten aufweisen, welche bislang unbemerkt geblieben sind? Kommt das von Setzungen, aufgrund des massiven Absenkens des GW-Spiegels im nahen Steinbruch, oder sollte er defekt geworden sein durch die Erschütterungen, welche im Zusammenhang mit Sprengungen vorkommen und teilweise ganz erheblich sind.

 

Sogar in über 500 Metern Entfernung -über bis unters Dorf reichende oberflächlich gelegene Kalkzüge geleitet- fallen dadurch noch Gläser aus den Schränken? Solche Sprengungen gab es hier ja schon oft. Sollten die Schäden des Bauwerkes (Kanal) am Ende gar auf Baumängel zurückzuführen sein? Kommen Mängel womöglich auch von den extrem hohen Lasten darüber hinwegfahrender Tagebaufahrzeuge.

 

Hoffentlich belastet austretendes Abwasser nicht die Lebensgemeinschaften des kleinen Baches, oder zerstört diese gar, oder es dringt gar in die Klüfte und Karst-hohlräume des Kalkvorkommens ein, verunreinigt das sich darin sammelnde Grundwasser auf lange Zeit, für immer. Möglicherweise zerstört es auch auf Dauer die biocoeonotischen Lebensgemeinschaften in dieses Grundwassers.

 

So etwas müsste man doch eigentlich melden, doch wo? Sicher wird es schwer sein bei den zuständigen Stellen Gehör zu finden. Meine letzten Wahrnehmungen mit Verwaltungen sind eher bedrückend gewesen. Schmallippige Antworten auf immer-hin sehr berechtigte Fragen und Bedenken, teils unwahre, nicht plausible Auskünfte sowie eine demütigende Gängelung auf dem Weg Umweltinformationen zu erlang-en. Vorschieben immer neuer Gründe dafür, dass man nicht einfach eine Kopie von Unterlagen erhält. Solche Erfahrungen sind an der Tagesordnung. Transparenz geht anders, stelle ich mir jedenfalls nicht so vor.

 

_______________________________________

 

 

Wie zu erfahren war, soll ja hier wieder Kalkstein abgebaut werden. Im Rahmen dessen soll es auch ein großartiges Recyclingzentrum geben. Ein Sonder-Baugebiet, Gewerbegebiet, umgeben von Naturschutzräumen, in einem gesetzlichen Überschwemmungsgebiet, geht das? Wer wird aber so etwas wollen und genehm-igen?  Haben die zuständigen Stellen tatsächlich mit Sorgfalt Verhältnismäßigkeit walten lassen, oder …..?

 

_______________________________________

 

 

Die weitere Plünderung des Planeten rechnet sich, so scheint es. Ungebremst wird das Wachstum angeschoben, nicht bei uns, nein halt anderswo, wir sind nur Kolonie, mehr denn je. Einzig die Art und Weise der Einladung zur Gier ist subtiler geworden. Es wird schöngeredet was das Zeug hält. Mantraartig wird dutzende Male wieder-holt, das wiederholt, was man schöngefärbt hat. Schließlich folgt vermutlich auch noch der letzte Gemeindepolitiker einer derartigen Einladung. Die Region wird um-verteilt. Von dem Vielen der Natur und von den vielen Menschen raffen sich wenige, soviel sie nur können. Wir alle lassen dies zu. Die neue Weltordnung greift um sich.

 

Mit dem narzisstischen Glauben auserwählt (gewählt) zu sein, wähnen sich so manche -in ihrer unterwürfigen Bewunderung- in der gleichen Klasse zu agieren, wie die Reichen und Mächtigen. Ihre arrogante Ignoranz und Selbstsicherheit stößt einem dabei bitter auf, verursacht Abscheu.

 

Also was tun die Leute von den umgebenden Dörfern, den Dörflein, welche sich wie Perlen im Tal aufreihen? Wehren sie sich gegen den neuerlichen, modernen Raubbau, der geplant ist. Wehren sie sich gegen die möglicherweise dauerhafte Kontaminier-ung von Grundwasser, die dessen spätere Nutzung für den Menschen ausschließt? Wehren sie sich gegen die Gefahren welche der geschützten Aue des Bachlaufes droht?

 

Nein, scheinbar nicht, jedenfalls nicht erkennbar! Anscheinend richtet sich, wenn überhaupt, ihre Wut eher gegen die welche die ökologisch besonders sensiblen Flächen für die kommenden Generationen schützen und bewahren wollen.

Mit wahren Desinformationskampagnen ziehen die selbst ernannten Experten unserer gewählten Vertreter ins Feld, um sich und ihr Tun zu verteidigen. Was ihr Tun verursacht dovon wollwn Sie nichts wissen.

 

Dass das Althergebrachte, auf das sie alle stolz waren und sind - ihre Kultur von Arbeit, von noch intakter Natur in den Nahräumen - setzen sie leichtfertig aufs Spiel. Sie bemerken dabei nicht, wie der „Mammon“, das schnöde Geld, sie all dessen ent-eignet hat, all dessen, was sie doch, zumindest manche, mit so viel Energie bereit gewesen sind, zu bewahren.

 

Es ist nicht damit getan Straßenfeste zu multiplizieren, Weihnachtsmärkte zu instrumentalisieren, Feuerwehren zu maximieren, Bürgerhäuser im großen Stil zu popularisieren und goldene Ehrenamtskarten auszuteilen, nein, unsere Welt hat sich verändert trotz all dessen, oder womöglich gerade wegen all dessen. Es braucht andere Wege zum Ziel, Wege ohne weitere Lügen und Gier.

 

Ähnlich wie die Insekten und viele andere Tierspezies, so gibt es auch die von Uns (Homo Sapiens) nicht mehr, welche zur Kirche gehen, im Gesangverein aktiv sind, den Sportverein hochhalten, Feuerwehrmann werden wollen, ihr Leben Heilberufen widmen, auf die Natur achten und diese respektieren, aus Leidenschaft. Hier hat unter den Menschen ein Artensterben der besonderen Art eingesetzt, anscheinend unumkehrbar.

 

Mitleid und Empathie, die Leidenschaften der Seele, Zuneigung, Anziehung, Liebe, Respekt und Anerkennung sind zu großen Teilen verloren gegangen. Die Gier, welche die Menschen erfasst hat, hat bei vielen nur noch Platz gelassen für kalte, steinerne Herzen. Sogenannte „Gute Geister“ wie diese früher in der Romantik beschrieben wurden kommen heute kaum noch vor. Dabei nimmt der Homo ökonomikus die Natur in ständige Beugehaft, plündert sie, plündert damit letztlich seine eigene Zukunft.

 

Wehe wenn wir es mal nicht schaffen, größer, höher, weiter! Nichts und niemand fängt uns auf, die sozialen Netze sind mehr als nur brüchig geworden. Die Gier hat sich schon von oben nach unten durchgefressen, wir (die human Resources) sind überflüssig geworden, marginalisiert, ausgeschlossen – Abschaum. Wir sind, oder werden ins Bodenlose fallen. „The Winner Takes It All“, doch, was wird aus den Verlierern von Platz 2-9.

 

Ohne jeglichen Respekt geht hier eine radikale Entmachtung sowohl des mensch-lichen, als auch des Lebens auf dieser Erde -mit dieser Gier- einher. Es bedeutet Geringschätzung des menschlichen Lebens in diesen nahen Dörfern als auch der diese umgebenden Natur.

 

„Ich will doch diesem Dorf nichts Schlechtes !“

Unbekannter Interpret

 

Rhetorik dieser Art offenbart, dass der/die Redner nicht daran interessiert ist/sind Erfahrungen und Wissen, welches lokal vorhanden ist, zum Wohle aller anzuer-kennen. Sie offenbart, dass die „Große Politik“ nicht wirklich an einem gemeinsamen Dialog interessiert ist und lieber „Ex Kathedra“ weiterhin die Deutungshoheit, die Macht ausübt, ausüben will. Respektlosigkeit und Ignoranz dominiert dabei häufig den Umgang mit uns Bürgern.

 

Wenn wie oben beschrieben Menschen im Ton gekränkter Eitelkeit und Unschuld meinen für mich sprechen zu müssen, zu erklären was gut und was schlecht für mich ist, dann gefällt mir das nicht. Alle Menschen des Dorfes spüren es schon, spüren, dass sie keinerlei Kontrolle mehr über ihr eigenes Dorf, ihr Habitat haben. Wie soll es bloß weitergehen?

 

Die rücksichtslose Inkaufnahme der Zerstörung unserer Ökosphäre

ist kein legitimer Weg unseren Wohlstand zu mehren. Wendel Berry

 

 

Klaus Textor ©